Mit Bett und Küche auf dem Fluss

Ich nähere mich langsam diesem etwas verwunschenen Ort. Von Nassau aus laufe ich auf dem Lahn Radweg bis zur Schleuse Hollerich. Dort begrüßen mich ein gutmütiger Schleusenhund und ein paar Ziegen und ein paar Meter weiter erreiche ich den angrenzenden Jachthafen. Hier liegen die Hausboote von André und Florence: drei gleich große Holzhausboote in unterschiedlichen Farben, jeweils ca. 10 Meter lang und vier Meter breit und mit einer Wohnfläche einschließlich Terrasse von etwas 30 Quadratmetern und Platz für vier Personen. 

Sehr schön eingerichtet mit viel hellem Holz und großzügigen Fensterflächen. Ich stelle mir schon vor, wie ich in diesem Doppelbett liege, sich der Morgennebel lichtet und Stück für Stück mir den Blick auf die zartgelben Seerosen frei gibt… aber André holt mich dann doch schnell in die Gegenwart zurück. 

 

Auch wenn man für diese Hausboote kein Bootsführerschein braucht, ist eine dreistündige Anweisung notwendig, bevor man das Hausboot eigenständig in Bewegung bringt. Ich bekomme eine Schnellversion: Ab- und Anlegen, Schiffsführerstand, Verkehrsregeln- und Verhaltensregeln, Funktionen des Hausbootes und denke, das behalte ich nie. 

Um es vorwegzunehmen: Die meisten Dinge erklären sich recht leicht, wenn man sie einfach tut. Die Erfahrung durfte ich auch beim Praxisteil machen. 

 

Drei Dinge sollten jedoch schon vor dem Praxisteil verinnerlicht werden: „Egal wie es zuhause läuft“, schmunzelt André, „wer auf dem Schiff die Steuerung übernimmt, hat das Kommando und der Matrose/die Matrosin diskutiert nicht“. Ordnung auf dem Schiff ist ebenfalls nicht verhandelbar. Damit ist nicht die Ordnung in den Wohnräumen gemeint, sondern all die Dinge, die man für den sicheren Umgang mit dem Boot braucht. Zum Beispiel die Taue nach Gebrauch wieder so zu richten, dass sie ohne Zeitverzögerung für den nächsten Einsatz benutzt werden können. Als letztes gilt: Der Motor wird erst ausgeschaltet, wenn das Boot festgemacht wurde. Bis dahin muss es manövrierfähig sein. 

 

Dann geht es endlich los. Wir fahren flussaufwärts, Richtung Obernhof. Für eine Anfängerin wie ich es bin, ist diese Strecke ideal, weil sich die Lahn hier sehr breit macht. Das hilft, weil es etwas dauert, bis man ein Gefühl fürs Steuern entwickelt. Um in der Fahrspur zu bleiben, muss man immer wieder nach rechts oder links lenken, um die Mitte zu halten. Darauf reagiert das schwimmende Haus etwas zeitverzögert, wofür man aber relativ schnell ein Gefühl dafür entwickelt. „Wichtiger Grundsatz“, so Florence, gelassen zu bleiben und mit mäßigem Tempo unterwegs zu sein. Geschwindigkeit - ein wichtiges Stichwort. Im eigentlichen wie im übertragenen Sinne. Sechs Kilometer pro Stunde schafft das Hausboot, flussabwärts geht es dann mit ca. 8 km etwas schneller. Doch beim Fahren mit dem Hausboot geht es nicht darum, schnell von A nach B zu kommen, sondern alles wahrzunehmen, was zwischen A und B liegt. 

 

Neben den touristischen Zielen in Limburg (Dom und Altstadt), die Kuranlagen von Bad Ems (im 17./18. Jahrhundert galt die Stadt an der Lahn als eine der berühmtesten Badeorte Deutschlands) oder die hoch oben thronende Klosteranlage Arnstein in Obernhof, bietet das untere Lahntal Liebhabern von Fauna ein Paradies. Kormorane, Graureiher, Stockenten, Nutria, Nilgänse, zählt André auf. Kaum zu Ende gesprochen und wie zu Beweis präsentiert sich uns beim Anlegen in Obernhof ein Eisvogel, auch wegen seines blau schillernden Federkleides fliegender Edelstein genannt. Ein sicheres Indiz dafür, dass die Lahn hier ein sauberes und nahrungsreiches Gewässer ist. 

 

Dass das so bleibt, dafür möchten auch André und Florence Sorge tragen. Das Thema Nachhaltigkeit steht ganz oben auf ihrer Agenda. Die Hausboote bestehen im Wesentlichen aus zwei Materialien, aus Holz und Aluminium. Auch die Ausstattung im Boot orientiert sich in erster Linie an natürlichen und nachwachsbaren Materialien. Der Strom für die Bordbatterien wird durch ein Photovoltaik-Panel auf dem Dach des Hausbootes erzeugt. 

 

Die größte Sorge in Sachen Nachhaltigkeit bereitet André und Florence der Antrieb des Bootes. Noch werden alle drei Hausboote von jeweils von einem 15 PS starken Benzinmotor angetrieben. „Die Umrüstung auf einen Elektromotor werde zwar von der EU gefördert, aber es bleiben immer noch beachtliche Umrüstungskosten für uns“, bedauern die Jungunternehmer. „Aber wir bleiben dran“. 

 

Kurz vor Ende steuert André uns noch zur Schleuse Hollerich, eine von 21 Schleusen, die noch in Betrieb sind. Hier darf ich das Anleinen übernehmen und fühle mich zunehmend sicherer und entspannter. Da kommt mir ein Satz von Kurt Tucholsky in den Sinn: 

„Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön“