„Ich habe hier schon mal was vorbereitet“, begrüßt mich der Spitzenkoch. Vor mir liegt frisch geerntetes Gemüse, Salat, Kartoffeln, selbstgemachtes Kräuter-Pesto Schafskäse und ein Stück Schweinefleisch. Alles Zutaten von regionalen Anbietern in der Wetterau. Dazu später mehr.
Jetzt wird erst einmal gekocht. Also Hände waschen, Schürze umbinden und los geht’s. Wir brauchen fast vier Stunden, bis wir endlich das äußerst schmackhafte Menü genießen können, bestehend aus Cordon bleu vom Strohschwein, gefüllt mit Pesto und Schafskäse, dazu Gnocchi, knackiges Gemüse und einer Salatbeilage. Das liegt aber nicht daran, dass die Zubereitung so aufwändig ist, sondern weil eine Frage gleich die nächste ergibt. Eine Lehrstunde in Sachen Lebensmittel, -und Geschmackskunde plus Tricks und Kniffs rund um die Zubereitung. Ich begreife immer mehr, worauf es bei einer richtig guten Spitzenküche ankommt.
Eine Kostprobe: Gewichtsangabe bei Eiern (S, M, L oder XL) fehlen oft bei Rezepten, sind aber gerade bei der Zubereitung von Gnocchi unerlässlich, damit die Konsistenz stimmt. Außerdem nimmt der Essenszauberer nur das Eigelb für den Teig, weil das Eiweiß den Teig feucht macht. Ich lerne so ganz nebenbei noch, wie ich eine Gewürzmischung herstelle, richtig gute Croutons auf Vorrat mache, woran ich die Frische von Produkten erkenne und dass die Entscheidung, ob mir ein Essen schmeckt, mit dem ersten Blick und nicht mit dem ersten Biss fällt.
Frische, Qualität und Natürlichkeit sind die Kriterien, die der redegewandte Wetterauer anlegt. Künstliche Aromen finden kein Erbarmen bei Neidharts Küchencrew. Darf er auch nicht. Denn er ist seit vielen Jahren Mitglied bei Euro-Toques. Diese Organisation wurde 1986 von Spitzenküchen wie Bocuse und Witzigmann ins Leben gerufen. Die über 700 Spitzenköche verpflichten sich unter anderem nur unverfälschten Naturprodukte einzusetzen und nehmen nur Köche auf, die von mindestens zwei Mitgliedern empfohlen wurden.
Eine „ehrliche Küche“ und „gescheit mit den Leut umgehe“ das war und ist für den zweifachen Vater seine Schaffensgrundlage. Unabhängig davon, wo oder für wen er kocht. Viele Jahre tat er dies in Spitzenküchen in der Schweiz, in Castrop-Rauxel und in der Villa Leonhardi im Frankfurter Palmengarten, bevor er sich mit seinem ersten Lokal selbständig machte und seine eigenen Ideen und Visionen umsetzen konnte.
Zupass kam ihm, dass mit den Jahren immer mehr das Thema Regionalität in den öffentlichen Fokus gerückt wurde. Als schließlich unter Federführung eines Wetterauer Landrates der Wetterauer Landgenuss ins Leben gerufen wurde, war klar: Neidhart ist ganz vorne dabei.
Hier kooperieren Köche mit heimischen Erzeugern und Direktvermarktern in der Wetterau. Letztere wurden im Laufe der Jahre immer zahlreicher. Sehr oft ist es die junge Generation, erzählt Neidhart, die den Betrieben ihrer Eltern eine neue Ausrichtung geben und neue Wege in der Vermarktung bestreiten. Angefangen von Hofläden, über Automaten, die das Einkaufen rund um die Uhr möglich machen oder wöchentliche Gemüsekisten.
Gemüsekisten gibt es auch bei Anja Kirchner, deren Salat und Gemüse ich heute verarbeitet und deren Anbau ich mir bereits angeschaut habe. In der Görbelheimer Mühle bei Bruchenbrücken hat sie das Prinzip des Marktgartens umgesetzt. Hier wird auf kleiner Fläche (bis ca. 1 Hektar) Gemüse auf permanenten Beeten angebaut. Die Beetstreifen sind sehr schmal, so dass maschinelles Arbeiten nicht möglich ist. Anja Kirchner lockert die Erde mit einem speziellen Gerät oberflächlich auf, um die Mikroorganismen nicht zu schädigen.
Ursprünglich wollte die studierte Betriebswirtin nur gesunde Lebensmittel für die Familie anbauen. Doch gleich zu Beginn wurde die Ernte sehr ertragreich. Am Anfang durfte die Nachbarschaft davon profitieren, doch auch hier konnte sie nicht mehr die komplette Ernte unterbringen. Sie las von der Idee der Marktgärtner, war begeistert, probierte es aus, erweiterte die Flächen und firmiert heute unter dem Namen „KraftFeld Gartengemüse“ und versorgt zurzeit 30 Haushalte.
Gemeinsam anbauen, verarbeiten, vermarkten, das ist die Philosophie der befreundeten Landwirte Jan Winter, Stefan Zimmer und Maximilian Reuhl. Seit ca. zwei Jahren nennen sie sich auch beruflich Freunde; genauer Hoffreunde und betreiben gemeinsam einen großen Hofladen in Butzbach. Hier gibt es nicht nur die eigenen Erzeugnisse frisch vom Feld, sondern auch bereits verarbeitete Produkte; zum Beispiel die Gnocchi von Meike Zimmer vom benachbarten Seefeldhof.
Die Quereinsteigerin, die zuerst die Liebe zu ihrem Mann Stefan und dann zur Landwirtschaft entdeckte, wollte aber nicht nur alles selbst herstellen, was aus ihren Kartoffelfeldern erwirtschaftet wird, sondern auch zeigen wie. Seit zwei Jahren betreiben Stefan und Meike ihre Kartoffelmanufaktur mit gläserner Produktion. Von den eingesetzten Gewürzen und Zutaten bis hin zu den einzelnen Produktionsstufen kann man alles vor Ort beobachten